Klimawandelbedingter Artenschwund  in Mitteleuropa -
Arbeitsauftrag Erdkunde 10

 

Wir befassen uns heute mit der Frage, wie der Klimawandel sich auf Tier- und Pflanzenarten in Mitteleuropa auswirkt.

 

Lese Kap. 18 in der Klimabroschüre: „„Kuckuck, Kuckuck“, rief’s aus dem Wald“
https://www.klimaausstellung.de/

 

 

 

Aufgabe 1:
Wird der Kuckuck ein Opfer des Klimawandels werden? Wäge ab!

Aufgabe 2:

 

    „Ausmaß und Tempo der klimabedingten Waldschäden stellen Waldbesitzer und Forstleute vor allergrößte Herausforderungen. Für unser Land wichtige Baumarten wie vor allem die Fichten und Tannen sterben auf teils großen Flächen ab, aber auch die Buchen sind stark betroffen.“ Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Peter Hauk, am 27.05.2020

 

Erkläre, auf welche Weise der Klimawandel unsere Wälder gefährdet.

Aufgabe 3:
Nenne und erkläre einige Faktoren und Mechanismen, die im Zusammenhang mit dem Klimawandel zum Aussterben von Tier- und Pflanzenarten führen können.

 

 

 

Zusatzinformation zur Vertiefung (zusammengestellt von D. Bareis zur Lektüre bei Interesse):

 

Der Klimawandel und die Ökosysteme

 

Der Kuckuck und die heimischen Wälder (s. Klimabroschüre Kap. 18) stehen stellvertretend für Tausende von mehr oder weniger gut erforschten Beispielen, wie der Klimawandel Arten und Ökosysteme beeinflussen kann und für Zigtausende bisher unerforschte.

 

Bezogen auf Einzelarten kann der Klimawandel im Bereich der Biomoleküle die Häufigkeit bestimmter Genvarianten verändern, Veränderungen in der Physiologie oder der Gestalt bewirken, etwa mehr Behaarung als Schutz vor Austrocknung. Kein Phänomen im Bereich von Lebewesen ist so eindeutig dem Klimawandel zuzuordnen wie Veränderungen beim Lebensrhythmus (Abb. 3), etwa ein früherer Blühbeginn bei Pflanzen, eine frühere Rückkehr von Zugvögeln oder deren ganzjähriger Verbleib am Standort. Weiter kann der Klimawandel die Verbreitungsgebiete von Arten vergrößern oder verkleinern, in Deutschland z. B. das Verbreitungsgebiet der kälteempfindlichen Stechpalme nach Norden und Osten ausdehnen. [Klimawandel in Deutschland, S. 152 – 160] Allein von 1990 bis 2008 haben sich in Europa Bereiche mit gleicher Temperatur um rund 250 km nach Norden verschoben. Schmetterlinge verlegten in derselben Zeit ihre Gebiete nur um durchschnittlich 114 km nach Norden. [Stuttgarter Zeitung, 01.04.2014]

 

Der Klimawandel kann aber auch Beziehungen zwischen Arten aus dem Gleichgewicht bringen. Ökologische Gemeinschaften werden getrieben, zerrissen, vermischt und wieder neu zusammengesetzt. Ein Beispiel aus dem Bereich der Nahrungspyramiden: Da der Siebenschläfer früher aus seinem Winterschlaf erwacht, steigt der Räuberdruck auf verschiedene Singvögel. [Klimawandel in Deutschland, S. 152 – 160] Der Klimawandel beeinflusst auch den Parasitismus. Beispiele sind womöglich der Kuckuck (s. o.), oder die frostempfindliche, im Obst- und Weinbau gefürchtete Kirschessigfliege https://idw-online.de/de/news661979 https://de.wikipedia.org/wiki/Kirschessigfliege , die sich seit etwa 2008 als invasives Schadinsekt aus Ostasien rasant ausbreitet. Mit dem Handel gelangte sie nach Südeuropa und von dort direkt über die Alpen in die Täler Süddeutschlands. Da sie die Früchte im fast reifen Zustand befällt, ist sie nur schwer mit Insektiziden zu bekämpfen. Der Klimawandel dürfte ihr Vordringen über den Alpenhauptkamm begünstigt haben, doch verträgt sie keine Hitzewellen, ein voranschreitender Klimawandel könnte also ihrer Ausbreitung im Weg stehen.

 

Der Maiszünsler als der wichtigste Maisschädling in Deutschland begünstigt Stängelbruch und am Kolben Schimmelbildung. Früher war er ein süddeutsches Problem, doch seit den 70er Jahren hat er sich auch in Norddeutschland ausgebreitet. Seit 2005 tritt im Oberrheingraben eine Rasse auf, die zwei Generationen pro Jahr bildet. Aufgrund des Klimawandels hat dieser Parasit also das Verbreitungsgebiet nach Norden ausgeweitet und die Anzahl der Generationen pro Jahr erhöht. Anderen Schädlinge wie Wanzen und Zikaden ermöglichen mildere Winter die Überwinterung. [Landesbiologentag BW 2016: Referat Olaf Zimmermann, Augustenberg]

 

Besondere Aufmerksamkeit verdient der Einfluss des Klimawandels auf Symbiosen, also Vergesellschaftungen unterschiedlicher Arten zum gegenseitigen Vorteil, z. B. bei der Bestäubung. Die entscheidende Frage ist hierbei: Werden sich Pflanzenentwicklung und die Entwicklung und Aktivität der Bestäuber zeitlich und räumlich synchron entwickeln? Werden Bestäuber und Pflanze weiterhin zur selben Zeit am selben Ort sein, oder werden sie sich in Lebensrhythmus oder Verbreitungsgebiet auseinanderentwickeln, weil sie unterschiedlich anpassungsfähig oder mobil sind? Insekten bestäuben mehr als ein Drittel der Kulturpflanzen und gut zwei Drittel der Wildpflanzen. [Klimawandel in Deutschland, S. 152 – 160] Fallen Bestäuber aus, wäre mit spürbaren Ernteausfällen und Artenschwund zu rechnen.

 

Kritisch ist eine klimabedingte Änderung von Verbreitungsgebieten auch in Gebirgen. Der Zoologe Flannery glaubt, dass keine andere Prognose der Klimaforschung gewisser ist als das Aussterben vieler Arten, die die Berge bevölkern. Diese Arten können sich nur in immer größere Höhen zurückziehen. Wenn sie die Gipfel erreicht haben und von nachrückenden Arten verdrängt werden, kommen sie, wie es ein anderer Biologe ausdrückte, „in den Himmel“ [Flannery: Wir Wettermacher] Der Klimawandel beeinflusst also auch die Konkurrenzverhältnisse zwischen einzelnen Arten.

 

Da Lebewesen Zeit zur Anpassung brauchen, ist beim Klimawandel die Geschwindigkeit genauso wichtig wie das Ausmaß. Der Klimawandel des 21. Jahrhunderts könnte bei einem Versagen der Klimapolitik fünfzig Mal schneller ablaufen als im Übergang von Eiszeiten zu Warmzeiten (Kap. 8). Zudem können viele Tiere und Pflanzen heute nicht mehr so leicht wie z. B. nach der Eiszeit in andere Regionen ausweichen, da der Mensch viele Lebensräume überformt und naturnahe Lebensräume auf einzelne Inseln reduziert hat. Schon heute hat die Aussterberate weltweit stark zugenommen.

 

Für 63 von 500 untersuchten Tierarten in Deutschland stellt der Klimawandel laut einer Studie ein hohes Risiko dar, besonders betroffen sind Schmetterlinge, Weichtiere und Käfer. Sehr empfindlich gegenüber dem Klimawandel sind in Deutschland die Ökosysteme der Hochgebirge, manche Typen von Feuchtgebieten, Moore, Dünen, stehende Gewässer und Fließgewässer sowie Feucht- und natürliche Nadelwälder.   [Klimawandel in Deutschland, S. 152 – 160]

 

Manche heute gefährdeten Arten können vom Klimawandel möglicherweise profitieren. [Landesbiologentag BW 2016: Referat Helmut Schlumprecht, Bayreuth]

 

Abschließend sei der Fokus auf die globalen Verhältnisse geweitet: Manche Ökologen befürchten, dass dem Klimawandel schon bis 2030 etwa 20 Prozent aller auf der Erde existierenden Pflanzen- und Tierarten zum Opfer fallen könnten. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte der Klimawandel die stärkste Bedrohung für die Biodiversität der Erde darstellen, noch vor dem Nutzungswandel durch Landwirtschaft und Siedlungen. Sollte mehr als die Hälfte der Artenvielfalt dahingerafft werden, dann dürfte es nach Einschätzung von Ökologen wie Peter Berthold nicht gelingen, die für das Überleben der Menschheit notwendigen Ökosysteme ausreichend stabil zu halten.  [Die Zukunft des Klimas, S. 31, 34]